Thema "Schulbegleiter"

Thema "Schulbegleiter"

Einen Einblick mit vielen Praxishinweisen stellt Gabriele Kremer in ihrem Buch zusammen:
remer, Gabriele (2016): Schulbegleiter erfolgreich einbinden. Förderschule, Hamburg

1) Beantragung-Zuständigkeiten:

Bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger und/ oder körperlicher Behinderung (Förderschwerpunkte geistige Entwicklung, körperlich und motorische Entwicklung, Hören, Sehen) wird die Schulbegleitung auf Grundlage von § 54 SGB XII finanziert.1) Die Leistung der Eingliederungshilfe wird dementsprechend beim örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträger beantragt. Bei Kindern und Jugendlichen mit seelischer Behinderung (Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, Autismus-Spektrum-Störung) bezieht sich die Maßnahme auf § 35 SGB VIII. Die Leistung der Kinder- und Jugendhilfe wird dementsprechend bei den örtlichen Sozialhilfeträgern, den Städten oder Landkreisen beantragt.
Schulbegleitungen werden von verschiedenen Stellen vermittelt, die in der Regel auch die Anstellungsträger sind.
Z. B.:
Schulbegleiter-Service – Verein für Menschen mit Körperbehinderung Nürnberg e.V. (verein-fuer-menschen.de)
Schulbegleitung  |  Behindertenhilfe der Rummelsberger Diakonie (rummelsberger-diakonie.de)
Schulbegleitung (für Kinder mit Autismus) – Stadtmission Nürnberg (stadtmission-nuernberg.de)

2) Verantwortlichkeiten im Schulbetrieb:

Der Schulleiter ist gemäß Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht verantwortlich. Der Schulleiter hat in Fragen des Schul- und Unterrichtsbetriebs ein Weisungsrecht, das er an die Lehrkräfte in der Klasse delegieren kann. Die Lehrkräfte tragen gemäß Art. 59 Abs. 1 Satz 1 BayEUG die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schüler und sind gegenüber dem ihnen zugeordneten sonstigen pädagogischen Personal weisungsberechtigt. In diesem Kontext übt der Schulbegleiter seine Arbeit eigenverantwortlich nach Maßgabe des Hilfeplans aus. Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten und sind der konkrete Aufgabenbereich des Schulbegleiters und seine Entscheidungsspielräume zu beschreiben.

3) Qualifizierung von Schulbegleitungen

Eine festgelegte Qualifizierung von Schulbegleitungen gibt es nicht. Zielemanns und Mays kommen zu dem Schluss, dass überwiegend unqualifizierte Personen als Schulbegleitungen eingestellt werden. Eine Befragung von 2016 hat für den sonderpädagogischen Schwerpunkt gE ergeben, dass ein Drittel der Personen aus einem fachfremden Kontext kommen.2) Hier zeigt sich ganz deutlich eine Problematik, die in der „Konstruktion“ der Schulbegleitung begründet liegt. Da die Schulbegleitung durch das Sozialrecht finanziert wird, soll sie nur „einfache“ Assistenztätigkeiten leisten. Dementsprechend werden in der Regel keine fachlichen Qualifikationen vorausgesetzt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter ein sehr breites Tätigkeitsfeld haben, das zumeist auch eindeutig in den pädagogisch-unterrichtlichen Bereich hineinreicht. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Grundqualifikation dringend angeraten. Viele Vermittlungsstellen gewährleisten allerdings Weiterbildungen und begleitende Beratung der Schulbegleitungen.

4) Aufgaben der Schulbegleitung

Welche Aufgaben eine Schulbegleitung ganz konkret zu erfüllen hat, lässt sich nur mit Blick auf den individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf des Kindes beantworten. Dabei können die Aufgaben ganz unterschiedlich ausfallen. So kann man sich unschwer vorstellen, dass ein Kind mit körperlicher Behinderung, das sich auf dem Weg zum Abitur befindet eine andere Hilfestellung benötigt als ein Kind mit geistiger Behinderung und hohem Pflegebedarf oder ein Kind mit Verhaltensstörungen.
Da die Schulbegleitung rechtlich nicht zum Schulbereich zählt, erscheint es offensichtlich, dass die Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter keine pädagogisch-unterrichtlichen Aufgaben im engeren Sinne übernehmen dürfen bzw. sollen. Von den Kultusministerien und den Kostenträgern wird häufig darauf hingewiesen, dass die Schulbegleitung keine Zweitlehrkraft, Nachhilfelehrkraft, Hausaufgabenbetreuung oder Assistenz der Lehrkraft bei der Vermittlung der Unterrichtsinhalte ist. Stattdessen darf bzw. soll sie ggf. lebenspraktische Hilfestellungen und einfache pflegerische Tätigkeiten übernehmen. Darüber hinaus werden Hilfe zur Mobilität, Unterstützung bei Kommunikation sowie beim Umgang mit Aggressionen, Stärkung des Sozialverhaltens oder Teilnahmefähigkeit am Unterricht genannt. Für die Begleitung von autistischen Schüler*innen wird das Aufgabenfeld der Schulbegleitungen zum Beispiel detailliert in einem Infobrief des ISB beschrieben.3)
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Schulbegleitungen in der Regel nicht nur in den „erlaubten“ Tätigkeitsfeldern aktiv werden, sondern darüber hinaus auch häufig in pädagogisch-unterrichtlichen Zusammenhängen. So helfen sie häufig bei der Umsetzung von Übungssequenzen oder leiten und beaufsichtigen Kleingruppen. Darüber hinaus ist häufig zu beobachten, dass sie Lernangebote je nach Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler mit Behinderung reduzieren oder erweitern. In vielen Fällen eine genaue Abgrenzung zwischen „erlaubter“ alltagspraktisch-pflegerischer Tätigkeit und „unerlaubter“ pädagogisch-unterrichtlicher Tätigkeit in der Praxis nicht möglich ist und es vermischen sich die beiden Tätigkeitsbereiche.
Aus diesen Gründen ist eine Klärung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Schulbegleitung mit der Lehrkraft notwendig.
Wichtig ist, dass die Eigenständigkeit des Kindes stets gefördert wird und es nicht dazu führt, dass die Schulbegleitung und das Kind zu einem eigenen Kosmos im Klassenzimmer werden.

5) Schulbegleitung und Religionsunterricht:

Schüler*innen mit einem Anspruch auf Schulbegleitung haben diesen natürlich auch für den Religionsunterricht. Die oft besondere Unterrichtssituation im Fach Religion (Fachlehrkraft, zusammengesetzte Lerngruppe, anderes Klassenzimmer) macht die Anwesenheit der Schulbegleitung sogar besonders wichtig.  Da dieses Fach häufig von Fachlehrkräften erteilt wird, kommt einer klaren Absprache mit den Schulbegleiterinnen und Schulbegleitern über deren Aufgaben und Zuständigkeiten für dieses Fach eine besondere Bedeutung zu. Bereits bei der Planung ist die Anwesenheit dieser Person(en) zu bedenken und sind Möglichkeiten zu deren sinnvoller Integration zu überlegen (Sitzplatz im Stuhlkreis, Teilnahme an Ritualen etc.) und mit diesen abzusprechen.
Die Anwesenheit von schulbegleitenden Personen kann als Bereicherung begriffen werden, wenn ihre Aufgaben reflektiert und kommuniziert werden. Ganz wichtig erscheint die Möglichkeit, durch die Schulbegleitung Informationen über den aktuellen Zustand, akute Probleme und Befindlichkeiten der begleiteten Schüler*innen zu erhalten, die man als Fachlehrkraft oft nicht, oder nur ungenau, erhält. Einige Augenblicke Zeit für solche Gespräche mit Schulbegleitungen einzuplanen ist überaus hilfreich für alle Beteiligten. Da Schulbegleitungen „ihre“ Schüler*innen in der Regel gut kennen, können sie zu wichtigen Ratgeber*innen zum Umgang mit deren Besonderheiten werden.
Im Falle von Problemen ist Folgendes anzumerken: Die unterrichtende Lehrkraft ist verantwortlich für den Unterricht und hat für den störungsfreien Ablauf zu sorgen!
Der Erziehungsauftrag ist Teil des gesetzlichen Auftrags der Schule und wird von den Lehrkräften wahrgenommen. Dies gilt im vorliegenden Zusammenhang insbesondere für die Herstellung der Klassenordnung. Schulbegleiter sind keine Zweitlehrkräfte, Nachhilfelehrkräfte, Hausaufgabenbetreuer oder Assistenten der Lehrkräfte bei der Vermittlung der Unterrichtsinhalte. Die schulpädagogische und didaktische Verantwortung für die Vermittlung des Lehrstoffes an junge Menschen mit Behinderung obliegt ausschließlich den Lehrkräften.
Es ist auch die Aufgabe der Lehrkraft, auf unangemessenes Verhalten von Schulbegleitungen (wie z.B. Spielen am Handy, Zurechtweisen anderer Schüler*innen) hinzuweisen. Wenn dies keinen Erfolg haben sollte, ist mit der Klassenlehrkraft und der Schulleitung Rücksprache zu halten. Weisungsbefugt ist letztendlich die Schulleitung!

6) Problemanzeigen

Christopher Henriksen sieht in Schulbegleitungen auch eine Gefahr: „Die vermeintliche Entlastung durch Schulbegleitung birgt Diskriminierungsgefahr und wirkt als potentieller Exklusionsverstärker.“4) Folgende Gefahren führt er in seinem Artikel in der Zeitschrift blind-sehbehindert auf:

  • Schulbegleiter sollen die Beibehaltung des „normalen“ Betriebs an Regelschulen ermöglichen, trotz der Aufnahme von Schüler*innen mit Förderbedarf. Die Verantwortung für die adäquate Förderung und die Entwicklung eines hochwertigen inklusiven Bildungsangebots wird an die Schulbegleitungen abgegeben.
  • Die Schulbegleitung wird zum „Agenten“ der Eltern, die über das Geschehen in der Schule informieren.
  • Die Akzeptanz der Schüler*innen mit Förderbedarf in der Regelschule soll durch die Schulbegleitung gesteigert werden.
  • Schulbegleitung und begleitetes Kind werden zu einem eigenen Kosmos im Klassenzimmer, was deren Einbeziehung in die Klassengemeinschaft hindert.
  • Die begleiteten Schüler*innen werden in ihrer Selbstständigkeit behindert und nicht gefördert.
  • Das begleitete Kind ist unter ständiger sozialer Kontrolle durch die Schulbegleitung und kann nicht ungestört Fehler machen oder auch gesundes widerständiges Verhalten erproben.
  • Eine Deprofessionalisierung der pädagogischen Arbeit.
  • Kaum strukturelle Regelung der Zusammenarbeit (Zeit für Absprachen etc.) zwischen Schulbegleitungen und dem pädagogischen Team der Schule.
  • Schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsbedingungen der Schulbegleitungen.

Verwendete Literatur:

Ulrich Jung, RPZ Heilsbronn, 2022


1) Vgl. Orientierungshilfe zur Schulbegleitung unter besonderer Berücksichtigung der Bildung von Schulbegleiterpools (2019), S. 5.
2) Vgl. Zielemanns/Mays (2018), S. 29.
3) Vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.) (2014).
4) Henriksen (2018), S. 95.

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